Warum stark sein im Ausdauersport kein Luxus ist

Vielleicht kennst du die alte Diskussion. „Zu viel Krafttraining macht dich langsam." Für viele Läufer und Radfahrer ist das bis heute ein Grund, die Hantelbank zu meiden. Gleichzeitig häufen sich die Daten, die genau das Gegenteil zeigen. Richtig dosiert macht dich Krafttraining ökonomischer, verletzungsresistenter und am Ende sogar schneller.

Studien zeigen, dass Maximal- und Schnellkrafttraining die Laufökonomie um 3 bis 8 Prozent und Zeitfahrleistungen im Bereich von 2 bis 5 Prozent verbessern können. Das ist nicht „nice to have", sondern der Unterschied zwischen dranbleiben und abreißen lassen. Dazu kommen Effekte auf Knochen, Sehnen und Rumpfstabilität, die du in langen Saisons deutlich spürst.

Die Kunst liegt nicht darin, „irgendwie auch Kraft" zu machen, sondern Kraft und Ausdauer so zu kombinieren, dass sie sich gegenseitig verstärken statt auszubremsen. Genau darum geht es beim Concurrent Training.

Das Problem. Gute Vorsätze scheitern am Interference Effect

In der Theorie wissen viele Ausdauersportler, dass sie Krafttraining einbauen sollten. In der Praxis passiert oft etwas anderes. Die Beine sind müde, der Trainingsplan voll, die Wettkämpfe rücken näher. Und wenn es stressig wird, fällt als erstes das Krafttraining weg.

Eine aktuelle Studie mit professionellen UCI-Straßenradfahrern zeigt genau dieses Muster. In der Vorbereitungsphase machen über 90 Prozent der Fahrer Krafttraining. In der Rennsaison sinken die Zahlen deutlich. Bei den Männern auf gut ein Drittel, bei den Frauen immerhin auf rund zwei Drittel. Das Problem. Genau in dieser Phase zählen Stabilität, Sprintkraft und Verletzungsresistenz besonders.

Dazu kommt der vielzitierte Interference Effect. Also die Beobachtung, dass gleichzeitiges Kraft- und Ausdauertraining bestimmte Kraftanpassungen abschwächen kann. Das führt schnell zu zwei Extremen. Entweder Krafttraining wird komplett gestrichen. Oder alles wird wild kombiniert, bis die Beine dauerhaft schwer sind.

Beides ist nicht nötig. Meta-Analysen zeigen klar. Der Interference Effect ist real, aber gut steuerbar, wenn du ein paar Grundregeln beachtest.

Die Lösung. Struktur statt Bauchgefühl im Concurrent Training

Concurrent Training bedeutet nichts anderes, als Ausdauer- und Krafttraining im gleichen Trainingsplan sinnvoll zu kombinieren. Der Schlüssel liegt im Timing, in der Intensität und in der Auswahl der Übungen.

1. Trenne harte Reize um mindestens 3 Stunden

Ein zentraler Hebel gegen den Interference Effect ist die zeitliche Trennung von Kraft- und Ausdauereinheiten. Idealerweise liegen mehr als 3 Stunden zwischen beiden, besser noch ein halber Tag. So haben die beteiligten Signalwege im Muskel genug „Ruhe", um ihre jeweiligen Anpassungen anzustoßen.

Praktisch bedeutet das zum Beispiel. Morgens Kraft, abends lockeres Radfahren. Oder am einen Tag intensive Intervalle, am nächsten Tag schweres Krafttraining. Was du vermeiden solltest. Vollgas-Intervalle und schweres Unterkörpertraining direkt hintereinander zu absolvieren bzw. zu koppeln.

2. Fokus auf Maximalkraft statt Bodybuilding

Für Ausdauersportler ist Muskelmasse nicht das Hauptziel. Entscheidend sind Kraft, RFD (Rate of Force Development) und neuromuskuläre Effizienz. Genau deshalb funktionieren Programme mit 3 bis 6 Wiederholungen bei Lasten über 85 Prozent deines 1RM so gut. Sie liefern starke neuronale Anpassungen, ohne unnötig viel Muskelmasse aufzubauen.

Typische Unterkörperübungen sind Kniebeugen, Ausfallschritte, Kreuzhebe-Varianten und Hüftstreckung (z. B. Hip Thrust). Dazu kommen Rumpfübungen, die deine Position auf dem Rad oder in der Laufhaltung stabil halten. Weniger ist hier oft mehr. Drei bis vier saubere Grundübungen schlagen acht verschiedene Maschinenzirkel.

3. Cleveres Ausdauer-Setup. Rad statt Laufen, wenn möglich

Schweiß ist nicht gleich Schweiß. Hohe Laufumfänge belasten Sehnen und Gelenke deutlich stärker als vergleichbare Radumfänge. Studien zum Interference Effect zeigen, dass die Kombination aus Laufen und schwerem Krafttraining tendenziell problematischer ist als die Kombination aus Radfahren und Kraft.

Wenn du die Wahl hast, plane intensive Ausdauereinheiten eher auf dem Rad und nutze das Laufen gezielter. So bekommst du die Vorteile des Krafttrainings, ohne deine passiven Strukturen dauerhaft zu überladen.

Praxisregel. Krafttraining wie einen eigenen Trainingsblock behandeln

Plane deine Kraftsessions genauso bewusst wie Intervalle oder lange Rides. Feste Tage, klare Inhalte, ausreichend Abstand zu harten Ausdauereinheiten. Wenn du Krafttraining nur „irgendwo dazwischen" quetschst, holst du weder aus den Gewichten noch aus deiner Ausdauerleistung das Maximum heraus.

Konkrete Vorteile von Krafttraining im Ausdauersport

Bessere Laufökonomie und Radleistung

Mehrere Studien zeigen Verbesserungen der Laufökonomie um 3–8 Prozent und Zeitfahrleistungen im Bereich von 2–5 Prozent nach strukturiertem Maximalkraft- und Schnellkrafttraining. Du bewegst dich mit weniger Energieaufwand bei gleicher Geschwindigkeit.

Verzögerte Ermüdung der schnellen Fasern

Stärker ausgebildete Typ-II-Fasern müssen später „rettend eingreifen". Deine langsamen Fasern arbeiten länger effizient, was sich gerade in Anstiegen, Endbeschleunigungen und langen Rennen bemerkbar macht.

Mehr Muskel-Sehnen-Steifigkeit und Plyo-Effekte

Plyometrisches Training und schweres Krafttraining erhöhen die vertikale Steifigkeit und verkürzen die Bodenkontaktzeit. In Studien verbesserten Mittel- und Langstreckenläufer ihre 2,4-km-Zeit um fast 4 Prozent – ohne zusätzliche Kilometer.

Gesundheit und Verletzungsprävention

Stärkere Muskeln, Sehnen und Knochen reduzieren Überlastungsbeschwerden, verbessern die Knochendichte und stabilisieren deinen Rumpf. Das zahlt direkt auf deine Belastbarkeit über lange Trainings- und Wettkampfphasen ein.

So setzt du Concurrent Training ab dieser Woche um

Du musst deinen kompletten Plan nicht auf den Kopf stellen, um von Krafttraining zu profitieren. Entscheidend sind ein paar klare Entscheidungen.

  • Vorbereitungsphase: Plane zwei Kraft-Sessions pro Woche mit 3–6 Wiederholungen bei >85 % 1RM in den Hauptübungen. Halte die Einheiten kompakt, aber fokussiert. Und wichtig: die Übungsausführung muss absolut sauber sein, sonst trainierst du dich bei diesen Zusatzgewichten schnell in Verletzungen hinein.
  • Saison: Reduziere auf eine Erhaltungseinheit pro Woche mit etwas geringerem Volumen, aber weiterhin klaren, schweren Sätzen.
  • Übungen: Kniebeugen-Varianten, Ausfallschritte, Hip Hinge (z. B. Kreuzheben oder Romanian Deadlift), Hüftstreckung sowie gezielte Core-Arbeit für Anti-Rotation und Anti-Extension.
  • Timing: Lege Krafttraining mindestens 3 Stunden vor oder nach Ausdauerbelastungen ein. Wenn du kombinierst, dann eher Kraft zuerst, anschließend lockeres Ausdauertraining.
  • Plyometrie: Ergänze in passenden Phasen 1–2 Mal pro Woche kurze Serien aus Sprüngen, Hüpfen oder Bouncing. Nur, wenn du verletzungsfrei bist und immer technisch sauber und mit ausreichend Pause zwischen den Wiederholungen.

Wenn du merkst, dass du zwar weißt, „dass du Kraft machen solltest", aber dein Kalender, deine Wettkämpfe und dein Alltag ständig dazwischenfunken, lohnt sich ein strukturierter Blick von außen. Genau hier setzen wir im Coaching an.